München, Lenbachhaus, Saal 32

Position München, Lenbachhaus
Bedeutende Künstler in München, Lenbachhaus, Saal 32 (1900–1906)
Künstler in München, Lenbachhaus, Saal 32
Kunstwerke (1900–1906)
Frühe Ölstudien von Wassily Kandinsky und Gabriele Münter

FRÜHE ÖLSTUDIEN VON WASSILY KANDINSKY UND GABRIELE MÜNTER

Wassily Kandinsky, 1866 in Moskau geboren, war bereits ausgebildeter Jurist, als er 1896 zum Studium der Kunst nach München kam. Ab 1900 zog Kandinsky es vor, frei von den Zwängen des akademischen Unterrichts selbstständig vor der Natur zu malen, zunächst an verschiedenen Plätzen Münchens. 1901 gründete er seine eigene Kunstschule, die Phalanx Hier wurde Gabriele Münter, geboren 1877 in Berlin und im Rheinland aufgewachsen, seine Schülerin. Während der Sommeraufenthalte mit der »Phalanxe-Klasse 1902 in Kochel und 1903 in Kallmünz kamen sich beide auch persönlich näher. Von 1904 bis 1908 begaben sich Kandinsky und Münter für mehrere Jahre auf Reisen, unter anderem nach Holland, Tunis, Dresden, Rapallo und Paris.

Während dieser frühen Jahre malten Kandinsky und Münter kleinformatige Studien vor der Natur im Stil des Spätimpressionismus, die von Kandinsky selbst als >>kleine Ölstudien<< bezeichnet wurden. Beide Künstler arbeiteten mit dem Spachtel, durch den die Farben bald pastos, bald dünnflüssiger aufgetragen werden. Dies lasst an Werke des Neoimpressionismus und das Vorbild van Goghs denken, doch besonders bei Kandinsky steht weniger die expressive Handschrift im Vordergrund, als der Versuch, die malerischen Mit tel als solche zu betonen. In den letzten Studien aus Paris 1906-07 wird der Bildgegenstand durch die pastose Spachteltechnik regelrecht unkenntlich gemacht und die wachsende künstlerische Eigenmächtigkeit der Farben rückt in den Vordergrund.

HANS KONRAD ROETHEL (1909-1982) UND DIE SAMMLUNG DES >BLAUEN REITER<

Hans Konrad Roethel war von 1957 bis 1971 Direktor des Lenbachhauses. Kurz nach seinem Amtsantritt konnte er am 17. Februar 1957 die außerordentliche Schenkung zur Kunst des Blauen Reiter von Gabriele Münter entgegennehmen, eine in ihrer Qualität und ihrem Umfang weltweit einzigartige Sammlung dieser Künstlergemeinschaft um Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, August Macke und Paul Klee.

Roethel, 1909 in Hamburg geboren, arbeitete nach dem Studium der Kunstgeschichte ab 1936 zunächst in Lübeck, später als Konservator am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Von 1945 bis 1949 war er als Konservator am Central Collecting Point in München tätig. Diese von der amerikanischen Militärregierung gegründete Behörde sammelte nach dem 2. Weltkrieg Kunstwerke der verschiedensten Herkunft und erstattete sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurück. Als Hauptkonservator an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen von 1950 bis 1956 begann Roethel, sich mit der während des Nationalsozialismus als >>entartet<< verfolgten Kunst der Klassischen Moderne zu beschäftigen. in diesem Zusammenhang ergab sich auch der Kontakt mit Gabriele Münter und ihrem zweiten Lebensgefährten Johannes Eichner in Murnau. Es gelang Roethel, das Vertrauen der Malerin und einstigen Freundin Kandinskys zu gewinnen.

Die unschätzbare Schenkung Gabriele Münters anlässlich ihres 80. Geburtstags 1957 enthielt über 90 Ölbilder Kandinskys, 25 ihrer eigenen Gemälde sowie zahlreiche Werke der Künstlerfreunde des Blauen Reiters und machte das Lenbachhaus gleichsam über Nacht zu einem Museum von Weltrang.

1965 erhielt Roethel mit der Bernhard Koehler-Stiftung eine weitere entscheidende Ergänzung für die neue Abteilung des Blauen Reiter: Bernhard Koehler sen, ein Berliner Fabrikant, Onkel von Elisabeth Macke und Mäzen des Blauen Reiters, hatte eine bedeutende Sammlung moderner Kunst aufgebaut, darunter Werke von Macke und Marc, sowie von Alexej Jawlensky and Jean-Bloe Niestlé Diese herausragenden Werke übereignete Elly Koehler. die Witwe von Bernhard Koehler jun., dem Lenbachhaus in einer überaus großzügigen Schenkung Schließlich erreichte Roethel 1971 noch den Ankauf des Alfred Kubin-Archivs aus dem Besitz des Hamburger Sammlers Kurt Otte mit wertvollen Graphiken und Dokumenten.

Im Jahr darauf verließ Roethel das Lenbachhaus und siedelte in die USA über, wer sich als Leiter des von ihm gegründeten Blue Rider Research Trust der Erforschung des Werks von Kandinsky widmete. Nach dem 1970 erschienenen Verzeichnis der Druckgraphik entstand hier das beispielhalte Werkverzeichnis der Ölgemälde Kandinskys. Hans Konrad Roethel starb am 17. Februar 1982 in Princeton/New Jersey.

Die nachfolgenden Direktoren des Lenbachhauses haben die Ergänzung der Sammlung des Blauen Reiters konsequent fortgesetzt. Unter anderem gelangen Ankaufe bedeutender Gemälde von Paul Klee. Hinzu kamen Kandinskys großes Werk Roter Fleck H (1921), Franz Marcs Vögel (1914), Gemälde von Künstlern der Neven Künstlervereinigung Münchens wie Adolf Erbslöh, Alexander Kanolds, Pierre Girieud, Albert Bloch und Erma Bossi und das große Figuren interieur im Zimmer (1913) von Gabriele Münter.

FRANZ VON STUCK UND MÜNCHNER JUGENDSTIL

FRÜHE BILDER VON WASSILY KANDINSKY

Ende des 19. Jahrhunderts wurde München zu einem Zentrum des internationalen Jugendstils. Der deutsche Begriff für diese Erneuerungsbewegung der Kunst geht auf die 1896 in München gegründete Zeitschrift #Jugend« zurück. Bedeutende Künstler scharten sich um diese Zeitschrift, etwa Leo Putz, Thomas Theodor Heine. Carl Strathmann, August Endell, Hermann Obrist und Richard Riemerschmid, die auf den Gebieten Malerei, Kunsthandwerk und Architektur tätig waren. Der Star der damaligen Szene, Franz von Stuck, lehrte über zwei Jahrzehnte an der Münch ner Kunstakademie. Dort gehörten auch Wassily Kandinsky und Paul Klee für kurze Zeit zu seinen Schülern. Die artifiziellen Stilmittel eines symbolistischen Jugendstils und das vegetabile Dekor des Kunsthandwerks mit seinen abstrahierenden Tendenzen beeinflussten Kandinsky in seinen frühen Münchner Jahren.

Kandinsky, der 1896 nach München gekommen war, schuf in seinem Frühwerk von 1901 bis 1907 neben kleinen Naturstudien ganz anders geartete Bilder, in denen er mit märchenhaften Szenerien eine poetische Bilderwelt voll rätselhafter Vielfalt beschwört. Neben Figurengruppen der Belle Epoque und mittelalterlichen Rittergestalten waren das besonders Werke mit altrussischen Themen. Dabei lieferten ihm der Symbolismus und die preziöse Ästhetik des Jugendstils ebenso Anregungen wie die zeitgenössischen russischen Märchenillustrationen etwa von Iwan Bilibin und Nikolaj Roerich. Auf dunklem Grund setzt Kandinsky ein leuchten des Farbmosaik mit irrealen Szenen der Vergangenheit zusammen, die ihm nach eigener Äußerung die Freiheit gaben, sich über die Realität hinwegzusetzen. Einige Grundmotive dieser frühen Bilder wie der Reiter, das Boot oder die Kremlstadt, leben in vielfältiger Transformation in seinen späteren Gemälden fort.

EARLY OIL STUDIES BY WASSILY KANDINSKY AND GABRIELE MÜNTER

Wassily Kandinsky, who was born in Moscow in 1866, completed a law degree before moving to Munich in 1896 to study art. From 1900 on, evading academic constraints, he painted in natural settings, initially in various locations in Munich. In 1901, he started his own art school, called "Phalanx," where Gabriele Münter born in Berlin in 1877, she had grown up in the Rhineland- became his student. Their relationship grew increasingly per sonal during the "Phalanx" group's summer schools in Kochel in 1902 and in Kallmünz near Regensburg in 1903. From 1904 until 1908, Kandinsky and Münter traveled widely, visiting Holland, Tunis, Dresden, Rapallo, and Paris.

Kandinsky's and Münter's early oeuvres include small-format plein-air studies of natural scenes in a late-Impressionist style; Kandinsky's own term was "minor oil studies". Both worked with the palette knife, applying layers of pastose as well as diluted paint, a technique that suggests the influence of van Gogh and the Neo-Impressionists, but especially for Kandinsky, its purpose was less to heighten the expressive individuality of his work than to accentuate the painterly means as such. In the last studies they created in Paris in 1906-07, the use of pastose paints and the palette knife renders the motifs almost unrecognizable as the colors and their intrinsic creative. significance come to the fore.

HANS KONRAD ROETHEL (1909-1982) AND THE "BLUE RIDER" COLLECTION

Hans Konrad Roethel was director of the Lenbachhaus from 1957 until 1971. Shortly after assuming office, on February 17, 1957, he was able to welcome an extraordinary donation: Gabriele Münter's "Blue Rider" treasure, a collection of unrivaled quality and size of works by the community of artists around Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, August Macke, and Paul Klee.

Roethel, who was born in Hamburg in 1909, studied art history and worked in Lübeck starting in 1936 before becoming a conservator at the Germanisches Nationalmuseum in Nuremberg From 1945 until 1949, he was a conservator for the Central Collecting Point in Munich, an agency set up by the American military authorities at the end of World War II that compiled works of art from a wide range of sources and returned them to their rightful owners. During his tenure as chief conservator at the Bavarian State Painting Collections between 1950 and 1956, he began to study the art of classical modernism, which had been proscribed as "degenerate" during the Nazi era. This interest brought him in contact with Gabriele Münter and her second longtime partner Johannes Eichner in Murnau. Roethel built a trusting relationship with the painter and former companion of Kandinsky.

Gabriele Münter's invaluable donation to the Lenbachhaus on occasion of her eightieth birthday in 1957 included more than ninety oil paintings by Kandinsky. twenty-five of her own paintings, and numerous works by their friends and fellow artists of the "Blue Rider"; virtually overnight, the Lenbachhaus became a world-class museum.

In 1965, Roethel's work at the Lenbachhaus was rewarded by a second pivotal endowment that considerably expanded the new "Blue Rider" department: Elisabeth Macke's uncle Bernard Koehler Sr., a Berlin-based industrialist and patron of the circle's artists, had assembled an eminent collection of modern art, including works by Macke and Mare as well as Alexej Jawlensky and Jean Bloé Niestlé. In an act of exceptional generosity, Bernhard Koehler Jr.'s widow Elly Koehler gave these outstanding works to the Lenbachhaus. Finally, in 1971, Roethel also secured the Alfred Kubin archive for the Lenbachhaus: built by the Hamburg-based collector Kurt Otte, it includes valuable works of graphic art and documents.

One year later, Roethel left the Lenbachhaus and moved to the United States, where he directed the Blue Rider Research Trust he had founded and devoted. himself to the study of Kandinsky's oeuvre. After the catalogue of the artist's prints, published in 1970, he now drew up the exemplary catalogue raisonné of Kandinsky's oil paintings. Hans Konrad Roethel died in Princeton, New Jersey, on February 17, 1982.

His successors at the Lenbachhaus continued on the course he had charted for the museum and enlarged the "Blue Rider" collection by acquiring impor tant paintings by Paul Klee as well as Kandinsky's magnum opus "Red Spot II" (1921) and Marc's "Birds" (1914). The museum also added paintings by members of the "Neve Künstlervereinigung München" such as Adolf Erbslöh, Alexander Kanoldt, Pierre Girieud, Albert Bloch, and Erma Bossi as well as Gabriele Munter's great interior with figures "In the Room" (1913) to its collection.

FRANZ VON STUCK AND MUNICH ART NOUVEAU

EARLY PAINTINGS BY WASSILY KANDINSKY

In the final years of the nineteenth century, Munich emerged as a center of the international Art Nouveau movement, The German designation "Jugendstil" for this reformist movement derives from "Jugend" ("Youth"), the name of a magazine founded in Munich in 1896. Its contributors included eminent painters, craftsmen, and architects such as Leo Putz, Thomas Theodor Heine, Carl Strathmann, August Endell, Hermann Obrist, and Richard Riemerschmid. The reigning star of the city's arts scene, Franz von Stuck, taught at the Academy of Fine Arts for over two decades, and Wassily Kandinsky and Paul Klee were briefly among his students. The contrived stylistic devices of Symbolist Jugendstil art and the nascent abstraction of the organic decorative forms created by artisans affiliated with the movement were influences Kandinsky encountered during his first years in Munich.

The early oeuvre that Kandinsky, who had arrived in Munich in 1896, created between 1901 and 1907 includes not only small nature studies, but also very different pictures that conjure up a poetic universe teeming with enigmatic motifs: groups of figures in the style of the Belle Epoque, depictions of medieval knights, and especially works on Old Russian themes. He took inspiration from the art of the Symbolists and the rarefied aesthetic of the Jugendstil as well as from contemporary Russian illustrators of fairy tales such as Ivan Bilibin and Nikolai Roerich Before a dark ground, Kandinsky arrays a luminously colorful mosaic of unreal scenes from a distant past; as he said, they afforded him the freedom to dely reality. Several elemental motifs from these early pictures such as the rider on horseback, the boat, and the kremlin or fortified town recur in manifold trans formations in his later paintings.

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In Vorbereitung: Paris, Musée d’Orsay; Paris, Musée des Arts décoratifs; L'Aquila, Museo Nazionale d'Abruzzo; Ascoli Piceno, Pinacoteca civica

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