Stillleben für ein vermögendes Bürgertum
Die Sammlung des Ferdinandeum an niederländischen Stilleben des 12 Jahrhunderts ist von Weltrang, vereint sie doch mit Werken von Jan Davidsz, de Heem, Jan van Kessel d.A., Gaspar Verbruggen d.A., Rachel Ruysch und anderen viele der wichtigsten Protagonisten dieses Genres.
Der 1650 erstmals nachweisbare Begriff Stillleben (niederl. „stilleven") meint die Darstellung arrangierter unbelebter Objekte der Natur oder vom Menschen produzierter Dinge. Seit dem 16. Jahrhundert eine eigene Bildgattung mit ersten Höhepunkten bei Caravaggio (1573-1610), erhält das Stilleben jenseits des ästhetischen Genusses der detailgenauen Malweise und einem nahezu wissenschaftlichen Interesse an malerisch-gestalterischen Fragen wie der Wiedergabe von Oberflächen, Spiegelungen oder perspektivischer Verkürzungen immer mehr eine Sinnaufladung auf verschiedenen Bedeutungsebenen.
So spiegeln die Werke einerseits das Repräsentationsbedürfnis eines im sog. Goldenen Zeitalter der Niederlande zu Reichtum gekommenen Bürgertums wider, indem sie Luxusobjekte wie die Teekanne von Pieter Adriaensz. Kocks zeigen, zu denen auch exotische Früchte oder Blumen gehören. Berühmt geworden ist die Tulpenmanie, bei der die Zwiebeln der Pflanzen teilweise den Wert von Häusern erreichen, bis 1637 diese erste gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte platzt.
Andererseits verbergen Stillleben religiös-moralische bzw. symbolhafte Inhalte, die die damaligen Betrachter entschlüsseln können. Verblühte Blumen, verwelkte oder von Insekten angeknabberte Blätter und angefaultes Obst beispielsweise erinnern an die Vergänglichkeit (lat. vanitas") aller Dinge, oftmals in Kombination mit Objekten wie zerbrochene Gläser, Uhren oder Totenschädel. Selbst Früchte wie die Zitrone gemahnen an die Fragwürdigkeit irdischer Genüsse, an Unmoral und Völlerei, ist sie doch äußerlich schön, aber ihr Inneres sauer.