Auf dem Weg zur künstlerischen Vollendung: der Bozzetto
Der Werkprozess eines Künstlers ist im Barock deutlich nachvollziehbar. Nach vorangegangen Entwürfen durch Zeichnungen und Studien stellt der Bozzetto meist die ausgereifteste Umsetzung des Bildthemas eines Deckengemäldes oder Altarblattes dar. Hier nimmt die Idee des Künstlers Gestalt an. Dem Auftraggeber wird damit ein Eindruck von Komposition, Farbigkeit sowie atmosphärischer und illusionistischer Wirkung der Ausführung vermittelt. Meist bedeutet er die letzte Stufe vor der Fertigstellung eines auszuführenden Werkes. Obwohl Bozzetti Teil eines Arbeitsprozesses sind, werden sie oft als selbstständige Kunstwerke gesehen und verbleiben meist beim Auftraggeber oder werden im Nachhinein auch gesammelt.
Im Ferdinandeum sind malerische Entwürfe für realisierte und nicht ausgeführte Werke wichtiger Tiroler Freskanten, beispielsweise Michelangelo Unterberger, Paul Troger, Franz Anton Zeiller, Johann Jakob Zeiller und Josef Schöpf, erhalten geblieben.
Jenseits der Aufklärung: Religiöse Kunst im Spätbarock
Das 18. Jahrhundert als Zeitalter der Aufklärung wird auf den ersten Blick nicht mit religiöser Kunst in Verbindung gebracht, sondern es kommen einem zunächst eher profane Themen der Genremalerei oder die galanten Feste in den Sinn. Dennoch standen Malerei und Skulptur weiterhin im Dienst der Kirche und erfüllten religiöse Aufgaben insbesondere in den katholischen Ländern.
War die französische Malerei maßgeblich für die künstlerischen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts, so ist zu beobachten, dass für die religiöse Kunst der hier gezeigten Maler aus Tirol und Österreich im Unterschied dazu Italien der wichtigste Ort der Orientierung bleibt. Die Werke von Paul Troger, der sich selbst auch in Rom aufhielt, und Franz Sebald Unterberger machen die Auseinandersetzung mit italienischer Malerei deutlich. Hier ist eine Fortführung der überwältigenden, die Gefühle des Betrachters ansprechenden Bildrhetorik der Gegenreformation zu beobachten.
Rückbezüge zur Kunst vergangener Jahrhunderte und die Vermischung mit anderen Gattungen wie der Genremalerei machen die Krise der religiösen Malerei im Spätbarock deutlich. Ulrich Glantschnigg malt die Heilige Familie in seiner „Anbetung der Hirten" in einem genrehaften Ambiente, in dem die weiteren Figuren wie Zeit genossen des Malers gewandet sind, was an die Malerei der Utrechter Caravaggisten im frühen 17. Jahrhundert erinnert. Ähnliche Bezüge sind auch in den Werken Anton Zollers sichtbar, dessen Märtyrer in einer durch starke Hell-Dunkel-Kontraste dramatisch beleuchtenden Malerei Assoziationen mit der Malerei Caravaggios um 1600 hervorrufen. Ein schlaglichtartiges Beleuchten der Körper vor dunklem Hintergrund und der dicht an die Figur heranführende Bildausschnitt sollen dem Publikum das Leiden in aller Drastik vor Augen führen.
Gattungsüberschreitungen finden sich ferner in Antoine Coypels "Demokrit". Er lässt den griechischen Philosophen eher wie den Kirchenvater und Eremiten Hieronymus erscheinen. Fern jeglicher Idealisierung oder Hinwendung zur Antike, interessiert den Maler vor allem der Ausdruck des Gesichts, welches durch ein ansteckendes, den Betrachter direkt adressierendes Lachen starke Falten herausbildet und damit sowohl Alter als auch den Charakter der Figur - gleich einem Porträt - nahebringen soll.