Taufe Christi

Künstler
Piero della Francesca
um 1410 bis 1420 Borgo San Sepolcro - 1492 Borgo San Sepolcro
Taufe Christi
Piero della Francesca (1438–1483), Taufe Christi, London, National Gallery, Saal 53, nach 1437, Bild 1/3
Piero della Francesca (1438–1483), Taufe Christi, London, National Gallery, Saal 53, nach 1437, Bild 1/3
Piero della Francesca (1438–1483), Taufe Christi, London, National Gallery, Saal 53, nach 1437, Bild 2/3
Piero della Francesca (1438–1483), Taufe Christi, London, National Gallery, Saal 53, nach 1437, Bild 3/3

Christus und Johannes, Engel, Taube, Bäume

Vor einer hügeligen Landschaft stehen im Vordergrund unter einem sattgrünen Walnussbaum zwei bärtige Männer mit längeren Haaren und drei Frauen in Engelsgestalt, alle mit ernster Miene, dahinter ein weiterer Baum mit grünen Blättern. Der Boden im Vordergrund ist mit grünen Pflanzen bewachsen.

Einer der Männer, Johannes der Täufer, der mit einem gegürteten Gewand bekleidet ist, gießt aus einer Schale Wasser über das Haupt des zweiten Mannes, Jesus, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet ist, den konzentrierten Blick nach unten gelenkt und die Hände gefaltet hat, direkt darüber schwebt eine Taube.

Die linke Frau hält die Unterseite ihrer rechten Hand Richtung Erde. Im Gewand dominieren die Farben rot und blau, ihre Flügel tragen die Farben braun, rosa und hellblau. Sie trägt geflochtenes Haar.

Die mittlere Frau trägt ein schlichtes graues Gewand und einen Blumenkranz auf dem Kopf. Beide schauen zu den zwei Männern.

Die dritte Frau ist rosa und blau bekleidet und trägt einen Zweig mit Blättern im Haar. Sie hält mit der linken Hand die Hand der mittleren Frau, den rechten Arm hat sie über die Schulter der mittleren Frau gelegt. Sie schaut den Bildbetrachter an.

Rahmung

Die Szenerie ist mit einem steinernen Bogen überwölbt, der gleichzeitig den oberen halbkreisförmigen Abschluss des Bildes darstellt.

Fluss

Direkt hinter den beiden Männern endet ein Fluss, der sich s-förmig in der Mitte des Bildes aus dem Hintergrund nach vorne schlängelt.

Täufling

Entlang des Flusses geht ein Weg zur entfernten, am Rande der Hügel gelegenen Stadt. Auf einem Weg am Fluss entkleidet sich ein Mann, der gerade sein Oberteil über den Kopf zieht.

Pharisäer und Sadduzäer

Im Hintergrund des Bildes stehen rechts mehrere orientalisch gekleidete, männliche Würdenträger, einer der Männer zeigt in Richtung der Taube. Dahinter erkennt man zwei ausgedörrte Bäume. In der Mitte sieht man Baumstümpfe, Reste gefällter Bäume auf einer Wiese.

Verschränkung der Motive zu einem Ganzen

Die einzelnen Motive des Gemäldes sind durch Farbe und Form miteinander zu einem Ganzen verschränkt. So ähnelt die Taube in Form und Farbe den Wolken, der Stamm des vorderen Walnussbaumes hat dieselbe Farbe wie der Körper Jesu und beide stehen parallel nebeneinander. Das Gewand des linken Engels ähnelt in den Farben rot und blau den Farben der Würdenträger am hinteren rechten Bildrand. Die zwei grünen Bäume links im Vordergrund entsprechen den beiden dürren Bäume rechts im Hintergrund.

Taufe Christi

Gemäß den Evangelien wird hier die Taufe Christi durch Johannes den Täufer dargestellt. Johannes, mit einem Gewand aus Kamelhaaren bekleidet und einen ledernen Gürtel um seine Hüfte, tauft Jesus am Fluss Jordan. Johannes sieht Jesus sehr ähnlich. Er ist exakt gleich groß, hat dieselbe Statur, hat dieselbe Frisur, denselben Bart, steht wie Jesus auf dem rechten Standbein und seine Arme bilden einen 90-Grad-Winkel, der den Oberkörper Jesu einschließt, als wolle er auf Jesus hinweisen, der größer ist als er, denn bei Matthäus, Kapitel 3 lesen wir „Ich taufe euch nur mit Wasser zum Zeichen der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen.“

Täufling auf dem Weg nach Vorne

Der Täufling in der mittleren Ebene hat sich dazu entschieden, ebenfalls getauft zu werden. Dazu streift er mit einer gewissen Mühe seine Kleider ab.

Ebenen der Personen

Die beteiligten Personen bilden von vorne nach hinten drei Ebenen: Jesus und Johannes und die Engel als Vorbilder im Vordergrund, dahinter der Täufling, der sich zur Taufe bereit macht, dem wir als Adressat des Bildes nacheifern sollen, im Hintergrund die unbekehrbaren Sadduzäer und Pharisäer.

Mahnung zur Umkehr Mt 3,7-10

Bei Matthäus, Kapitel 3 lesen wir zur Taufe Christi:

„Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“

Piero stellt in seinem Gemälde die vom Evangelisten Matthäus überlieferte Mahnung des Johannes an die Pharisäer und Sadduzäer deutlich dar: die von Johannes bildhaft beschriebenen Reste der ins Feuer geworfenen Bäume, nämlich die Baumstümpfe stehen auf einer Wiese im Hintergrund. Auf gleicher Höhe rechts stehen die jüdischen Gelehrten. Sie bemerken zwar das Geschehen, denn einer zeigt mit dem Arm in Richtung der Taube, aber sie machen keine Anstalten, sich mit dem Geschehen intensiver zu beschäftigen, sich auf den Weg in Richtung des Johannes zu machen oder sich gar ihrer teuren Kleider oder ihrer Schuhe zu entledigen. Entsprechend erkennt man auch einen deutlichen Abstand zwischen ihnen und dem Weg, der von Johannes dem Täufer zum himmlischen Jerusalem am Berg führt. Der Täufling hingegen, der sich zur Taufe entschieden hat und sich mit einiger Anstrengung darauf vorbereitet, steht direkt auf diesem Weg. Der Weg ist wie erwähnt s-förmig, kurvenreich, bildet den menschlichen kurvenreichen Lebensweg ab.

Dreifaltigkeit

Die drei Engel links stehen für die Dreifaltigkeit Gottes, für den einen Gott in drei Personen. Die beiden rechten Engel stehen mit ihren Armen und Händen in Verbindung. Der rechte Engel schaut rechts vom Baum, auf der Seite des Taufgeschehens durch Johannes, hervor, stellt also eine Verbindung her von der Taufe durch Johannes den Täufer mit Wasser und der Dreifaltigkeit Gottes und weist auf die zukünftige Taufe hin, in der nicht mehr mit Wasser, sondern mit dem Heiligen Geist getauft werden wird. Denn bei Matthäus, Kapitel 3 geht es direkt weiter: „Ich taufe euch nur mit Wasser zum Zeichen der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ Entsprechend trägt der linke Engel in seinen Flügeln ein glühendes Rosarot in seinen Flügeln.

Der rechte Engel blickt den Betrachter an, er nimmt den Betrachter in das Geschehen hinein und erinnert ihn daran, dass das Geschehen auch ihn persönlich betrifft. Es ist heilsbedeutend, dass er zur vorderen Ebene gehört.

Ebenfalls bei Matthäus in Kapitel 3 lesen wir: „Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Der mittlere Engel steht für Gottvater, der seinen Sohn an der Hand hält und an den sich sein Sohn anlehnt.

Geometrische Konstruktion

Die gesamte Anordnung im Gemälde scheint zunächst natürlich entstanden zu sein, durch eine klare geometrische Anordnung strahlt das Bild eine Ruhe und Gelassenheit aus. Sowohl Christus als auch Johannes stehen auf einem Standbein. Es handelt sich buchstäblich um ein Standbild. Die Fläche des Bildes besteht aus einem Halbkreis über einem Quadrat. Das Standbein von Christus, sein Körper inklusive der gefalteten Hände und Kopf, die Schale und die Taube bilden exakt die senkrechte Mitte. Der Nabel Christi ist der Mittelpunkt des Quadrats. Die horizontalen Flügel der Taube entsprechen dem oberen Rand des Quadrats.

Verstärkt wird die aus der Zeit zu fallende Ruhe durch die ruhende Taube ohne Flügelschlag, die lose nach unten hängenden Gewänder der Engel ohne sichtbare Bewegung im Wind, das Wasser steht bewegungslos am Rande der Schale, die Wolken stehen fest am Himmel wie Heiligenscheine, die Spiegelbilder im Fluss sind nicht verzerrt sondern scharf, der Fluss zeigt keinerlei Bewegung.

Eine zweite Teilung entsteht durch den vorderen Walnussbaum, der das Bild nach dem Goldenen Schnitt teilt.

Die göttlichen Personen stehen exakt aufrecht, der Täufling wird krumm dargestellt, so als ob er sich verbeugt, bzw. der sich wenig später physisch aufrichten wird und durch die Taufe geistig aufgerichtet wird.

Geographische Andeutungen, Herkunft des Künstlers

Der Künstler stammt aus Borgo San Sepolcro, dem heutigen Sansepolcro bei Arezzo in der östlichen Toskana; die Landschaft zeigt die typische Hügellandschaft seiner Heimat mit Sansepolcro im Hintergrund. Dafür spricht auch der Walnussbaum im Vordergrund, denn Borgo San Sepolcro entwickelte sich aus einem Benediktinerkloster, das der Legende nach im 10. Jahrhundert durch die Pilger Arcano und Egidio auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land im Gebiet von Noceati gegründet wurde, was in etwa mit Walnuss-Tal übersetzt werden kann.

Das noch entfernte Sansepolcro wird als das neue Jerusalem im Himmel dargestellt als Verheißung für alle, die sich mit dem Heiligen Geist taufen lassen.

Theologische Bedeutung

Die geographische Gegebenheit, dass der Jordan in das Tote Meer mündet, hat eine wichtige theologische Bedeutung für die Taufe Jesu. Das Tote Meer ist ein Salzsee, in dem außer für Mikroorganismen kein Leben möglich ist. Es ist ein Symbol für die Sünde und den Tod. Die Taufe Jesu im Jordan nimmt vorweg seine heilbringende Wirkung zur Erlösung des Menschen.

Della Francesca lässt den Jordan an den Füßen Jesu enden. Jesus steht auf trockenem, festem Untergrund. Wer auf Johannes den Täufer hört und sich von Christus mit dem Heiligen Geist taufen lässt, dem ist das im Hintergrund sichtbare himmlische Jerusalem verheißen.

Amen.

The Baptism of Christ

Christ is baptised by Saint John the Baptist. A dove, the symbol of the Holy Spirit, hovers above. The angels attend with Christ's robes. This was probably painted as an altarpiece for the chapel of Saint John the Baptist in an abbey in Piero's native town of Borgo San Sepolcro. The landscape resembles that around San Sepolcro.

London, National Gallery, Saal 53
London, National Gallery, Saal 53, Bild 1/2
London, National Gallery, Saal 53, Bild 1/2
London, National Gallery, Saal 53, Bild 2/2

In Vorbereitung: Paris, Musée d’Orsay; Paris, Musée des Arts décoratifs; L'Aquila, Museo Nazionale d'Abruzzo; Ascoli Piceno, Pinacoteca civica

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