Der Aufstieg der niederländischen Landschaftsmalerei
Ausgehend von den Landschaftsdarstellungen des 16. Jahrhunderts, die beispielsweise bei Joachim Patenier schon deutlich mehr als nur Hintergrundfolie für die gezeigte religiöse Historie sind, entwickelt sich die niederländische Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert zu einer autonomen und äußerst populären Gattung, auch wenn sie innerhalb der von der Historienmalerei angeführten Gattungshierarchie im unteren Bereich angesiedelt bleibt.
Dass nun die einheimische Landschaft als eigenständiges Bildmotiv überhaupt für würdig erachtet wird, ist die eigentliche Errungenschaft dieser Zeit. Ähnlich wie das Stillleben ist sie ebenfalls mit symbolischer Bedeutung aufgeladen und muss entschlüsselt werden, spiegelt sie doch beispielsweise Themen von nationalem Interesse oder Stolz auf technische Errungenschaften wie den Deichbau wider. Daher kommt es den Künstlern weniger auf eine naturgenaue Abbildung eines Landstrichs an, statt dessen wird die Szenerie wie bei der Waldlandschaft von Gysbrecht Leytens idealisierend komponiert. Ein häufiges Phänomen der Zeit ist, dass die Figurenstaffage in der Landschaft von einem zweiten Künstler gemalt wird, wofür das Gemälde von Adriaen Verboom und Johannes Lingelbach ein Beispiel ist.
Weitaus höher als für einheimische Landschaften bleiben die Preise für italienische. Zwar reisen weitaus nicht alle auf diese Bildmotivik fokussierten Maler tatsächlich nach Italien, aber viele Künstler schaffen dennoch unter dem Eindruck des südlichen Lichts ländliche Gegenden in warmen Farben mit mythologischer Staffage oder Schäferidyllen. Ferner bilden sich weitere Untergattungen der Landschaftsmalerei heraus. Manche Maler wie Aert van der Neer spezialisieren sich auf Nachtlandschaften, andere wie Egbert van der Poel oder Frans van Oosten auf Brandlandschaften.
Von der Kirche zum Kunstmarkt: Religiöse Historienmalerei
Das Historienbild nimmt in der Rangordnung der Gattungen - nicht nur in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts - die höchste Stelle ein. Darunter versteht man Gemälde, die Ereignisse aus der Themenwelt des Alten oder Neuen Testaments, der Mythologie, der Heiligen legenden oder auch Stoffe der Dichtung und Geschichtsschreibung zur Anschauung bringen. Diese Vorrangstellung basiert auf der künstlerischen Herausforderung, im Bild überzeugend Figuren anzuordnen und dabei Handlung zu entfalten.
Ein Ursprung des Historienbildes ist in der Altarbildmalerei zu finden, die auf das Vor-Augen Stellen biblischer Geschehnisse wie etwa der „Anbetung der Könige" im Antwerpener Altar abzielt. Religiöse Themen finden sich jedoch bereits im 16. Jahrhundert ebenso in Gemälden jenseits des sakralen Kontextes wie Jan van Scorels„Sündenfall" oder Jan Gossaerts „Christus am Ölberg".
Mit der Einführung des calvinistischen Glaubens in den nördlichen Niederlanden und dem damit verbundenen Verbot von Bildern im sakralen Kultus werden Historiengemälde im Kirchenraum überflüssig. Ein neu entstehender Kunstmarkt wird nun zum Betätigungsfeld für Maler, die sich auf die Darstellung religiöser Historien spezialisiert haben. Auftraggeber oder Käufer dieser Kunstwerke ist nun nicht mehr die Kirche, sondern vornehmlich das zu Wohlstand gekommene Bürgertum. Die Werke von Barent Fabritius, einem Maler aus dem Umkreis Rembrandts, oder von Cornelis de Baellieur d.Ä. richten sich an dieses neue Publikum von Kunstsammlern.
Niederländische Identität im 16. und 17. Jahrhundert
Über Jahrhunderte hinweg ist die kulturelle Identität der Niederlande geprägt durch den Kampf auf dem und gegen das Wasser, die Bedrohung von Fremdherrschaft sowie religiöse Auseinandersetzungen und Konflikte zwischen Adel und Bürgertum. Zugleich bildet diese Gemengelage das Fundament für den Aufstieg der Niederlande zur politischen und wirtschaftlichen Weltmacht mit Amsterdam als Mittelpunkt im 17. Jahrhundert.
Der Aufstand gegen die spanischen Habsburger ab Mitte des 16. Jahrhunderts hatte zu einer Spaltung des Landes in einen unabhängigen, überwiegend calvinistisch ausgerichteten Staat im Norden und den weiterhin den Habsburgern unterstellten, vornehmlich katholischen Provinzen im Süden geführt. 1566 entladen sich die religiösen Spannungen in einem ersten massiven Bildersturm, und auch in der Folge rufen calvinistische Prediger zum Ausräumen der ehemals katholischen Kirchen auf. Cuyps Gemälde präsentiert eine solche „leere" Kirche in Dordrecht.
Diese Spaltung zeigt sich ebenso in kunsthistorischer Sicht: Im Norden gibt es mit einem nun vorherrschenden bürgerlich-humanistischen Publikum neue Themen [z. B. die Genremalerei). Hier entsteht erstmals ein Kunstmarkt gemäß unseren modernen Vorstellungen. Im Süden hingegen produziert man nach wie vor sakrale Bilder und der Adel spielt eine größere Rolle als Auftraggeber auf einem weniger innovativen Markt.
Insbesondere die Landschaftsmalerei im Norden profitiert von diesem neuen Kunstmarkt und thematisiert direkt und indirekt die eigene Geschichte. Van Goyens Dünenlandschaften oder Peeters' und Willaerts' Seestücke stellen „Erinnerungsorte" einer gemeinschaftlichen Identität dar, die sich aus den Bedrohungen und gemeinsamen Errungenschaften wie der Landgewinnung durch Deiche oder dem Wohlstand durch den Seehandel formiert. De Mompers Winterlandschaft schließlich spiegelt ein klimatisches Phänomen des 17. Jahrhunderts wider: die sog. Kleine Eiszeit. Damals lässt eine ungewöhnliche Kühlphase die Kanäle zufrieren, worin sich die Entwicklung der Niederlande zur Eisschnelllauf-Nation gründet.